Rad-Abenteuer Parenzana von Karl Jeller

Rad-Abenteuer Parenzana von Karl Jeller

Blick ins Mirnatal. Foto: reisen made by jeller
Blick ins Mirnatal. Foto: reisen made by jeller

Wir bringen nachfolgend einen toll geschriebenen Bericht vom Reisejournalisten Dr. Karl Jeller aus Wien über die Parenzana Radstrecke mit vielen Fotos und durchweg guten Tipps. Besonders freut uns die Erwähnung des “La Parenzana” der Familie Schwengersbauer. Viel Spaß beim Lesen!

Die Trasse der einstigen k&k-Eisenbahnlinie Triest-Poreč ist heute ein fantastisch schöner Radweg. In Slowenien führt er großteils dem Meer entlang, in Istrien schlängelt er sich über grüne Hügel und durch Trüffelwälder ins Herz der Halbinsel und durch Olivenhaine und Weingärten zurück ans Meer. Wir radelten den anspruchsvolleren Abschnitt auf Istrien. Zwei Tage mit grandiosen Ausblicken und Stopps in mittelalterlichen Städtchen.
“Die Parenzana ist immer noch ein kleines Abenteuer”, sagt Guido Schwengersbauer, Salzburger und Chef des Landgasthauses “La Parenzana”, das fast direkt am Parenzana-Radweg im Dörfchen Volpia bei Buje liegt und beliebtes Quartier für Radler ist.

Die Casa Romantica La Parenzana. Foto: reisen made by jeller
Die Casa Romantica La Parenzana. Foto: reisen made by jeller

Die 1935 aufgelassene k&k-Eisenbahnlinie Parenzana verband die drei Länder Italien, Slowenien und Kroatien. Sie führte über 122,9 Kilometer von Triest über Koper und Izola in Slowenien nach Motovun im Herzen Istriens und endete in der Hafenstadt Poreč. Die sechs Viadukte, acht Tunnels und 11 Brücken sind noch erhalten. Von den einst 35 Bahnhöfen haben leider nicht alle die bewegten Zeiten überlebt.

In Italien ist die alte Strecke eigentlich nicht mehr vorhanden. Für Radfahrer beginnt der Parenzana-Weg in Wirklichkeit bei Kilometer 44, wenige hundert Meter vor der italienisch-slowenischen Grenze im Dorf Rabuiese (Škofije). Der slowenische Teil ist noch intakt, sehr gut ausgeschildert, asphaltiert und somit auch mit Straßenrädern leicht zu bewältigen.

In Kroatien fährt man großteils auf Schotter. Foto: reisen made by jeller
In Kroatien fährt man großteils auf Schotter. Foto: reisen made by jeller

Für uns begann der Spaß dort wo der Asphalt endet – in Kroatien. Ab da fährt man fast immer auf grobem, scharfkantigen Schotter, der zur Befestigung des Schienenkörpers verwendet wurde. Erst die letzten Kilometer vor Poreč geht’s auf roter, mit Kies durchsetzter Erde ohne viel holpern zum Meer. Mountainbikes sind für den istrischen Teil der Parenzana daher unbedingt notwendig. Am besten mit gut gefedertem Sattel. Hier ist die Parenzana tatsächlich noch ein kleines Abenteuer.

Ausrüstung

Ins Gepäck gehören auf jeden Fall auch ein kleines Werkzeug-Set, ein Ersatzschlauch und Pickzeug. Wir hatten einen Patschen und mussten die Schrauben des Gepäckträgers mehrmals nachziehen. Sicher kein Spaß ist die Tour bei Regen. Wir hatten Glück und drei prachtvolle Sonnentage. Konditionell ist die Parenzana keine große Herausforderung. Auch für halbwegs geübte Sonntags-Biker ist sie zu schaffen, da die Anstiege der einstigen Schmalspurbahn sehr moderat sind. Nur auf der zirka drei Kilometer langen Serpentinenstraße vom Bahnhof Motovun hinauf in die Altstadt auf dem Hügel brennen die Oberschenkel.

Als guter Ausgangspunkt für den kroatischen Teil bietet sich der Gasthof “La Parenzana” an, 12 Kilometer nach der slowenischen Grenze. Dort bezogen wir Quartier, ließen unser Auto stehen und radelten frühmorgens los – Ende April, bei strahlendem Sonnenschein, Vogelgezwitscher und 16 Grad Celsius. Bis Poreč sind es von da noch 66 Kilometer – eine bequeme Zwei-Tage-Tour durch eine traumhaft schöne hügelige Landschaft mit schattigen Laub- und Nadelwäldern.

Allein mit einem Luchs. Erstaunlich, aber in den zwei Tagen begegneten uns nur sechs andere Parenzana-Radler. Allzu frequentiert dürfte der Radweg wohl nicht sein. Aber vielleicht hatten wir einfach Glück. Dafür sahen wir neben Hasen, Rehen und jeder Menge Eichelhäher und Singvögel sogar einen Luchs. Und das aus nur fünf Meter Entfernung. Die scheuen Wildkatzen haben in den Wäldern Istriens noch Lebensraum.

Lohende Stopps

Längere Aufenthalte muss man im Künstlerstädtchen Grožnjan, in Livade, Motovun und Vižinada einplanen.

Grožnjan

Grožnjan. Foto: Wikipedia
Grožnjan. Foto: Wikipedia

Hier auf 293 Meter Seehöhe erreicht die Parenzana ihren höchsten Punkt. Läge Grožnjan in der Toskana, wäre es täglich von Tausenden Touristen überlaufen. Die einstige Festungsanlage der Venezianer aus dem 14. Jahrhundert thront auf einem Hügel mit fantastischem Blick ins Mirnatal und einem noch völlig intakten Ensemble aus dem Mittelalter – mit steingepflasterten Gassen, kleinen Plätzchen, Torbögen, verschachtelten Steinhäusern.

Es ist zum Niederknien schön, mit einer stillen Atmosphäre, die jeden Besucher automatisch zum Flüstern zwingt. In den 1960er Jahren begannen Maler und Musiker die damals schon recht verfallenen Häuser zu restaurieren, dort zu arbeiten und Galerien einzurichten. Heute gibt es etwa zwei Dutzend Galerien, ein paar Wirtshäuser und die stylische Lounge-Galerie-Bar “Kaya Energy” mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen einer Design-Künstlerin. Zwei Stunden sollte man für Grožnjan unbedingt einplanen, es zahlt sich wirklich aus. Wer den gesamten Parenzana-Weg radelt, kann sich auch überlegen, hier eine Nächtigung einzuplanen. Am Abend, wenn die letzten Besucher das Städtchen verlassen haben, ist die Atmosphäre einfach unglaublich.

Die stylische Lounge-Galerie-Bar "Kaya Energy". Foto: reisen by jeller
Die stylische Lounge-Galerie-Bar “Kaya Energy”. Foto: reisen by jeller

Lokal-Tipps

Gut, günstig und in malerischer Kulisse isst man in der Konoba Pintur am Platz Mate Gorjana 9. Zum Beispiel Spaghetti mit Steinpilzen um 40 Kuna, das sind knappe 6 €. Den Sundowner muss man dann in der Loungebar “Kaya Energy” am Kirchplatz mit Blick übers Mirnatal genießen. Die haben dort auch das super gute Bier San Servolo, das ein paar Kilometer entfernt in Buje gebraut wird.

Das San Servolo schmeckt nicht nur nach Radtouren. Foto: reisen by jeller
Das San Servolo schmeckt nicht nur nach Radtouren. Foto: reisen by jeller

Livade

Ein kleines Nest, in dem die Kettenhunde bellen und man kaum einen Menschen auf der Straße sieht. Aber seit hier 1999 der größte Trüffelpilz der Welt (1,33 Kilo) gefunden wurde, ist Livade unter den Trüffel-Hoblern ein Begriff. In der Trüffelsaison zwischen Oktober und November gibt es hier zahlreiche Trüffel-Veranstaltungen mit Starköchen und der Wahl der Miss Trüffel. Davon abgesehen hat Livade zwei Attraktionen, die einen Stopp rechtfertigen. Erstens ist hier Istriens bekanntestes Trüffel-Restaurant, die Enoteca Zigante. Und zweitens hat Livade ein kleines Museum mit Versatzstücken der Parenzana-Eisenbahn. In der Enoteca Zigante isst man zweifellos gut, fast jedes Gericht ist mit Trüffel, bezahlt aber auch den großen Namen. Tagliatelle mit Trüffel kosten zum Beispiel 25 €.

Motovun

Motovun Foto: Wolfgang Neuhuber/Art Redaktionsteam
Motovun Foto: Wolfgang Neuhuber/Art Redaktionsteam

Auch in diesem Städtchen muss man mindestens zwei Stunden Besichtigungs-Pause einlegen, am bestens man übernachtet gleich hier. Pensionen und Privatzimmervermieter gibt es hier genug, sogar ein recht luxuriöses Hotel in historischen Mauern, das Kaštel.

Auch wir haben dort in historischen Mauern übernachtet –im ältesten Hospiz Istriens, das heute die kleine Pension Villa Marija beherbergt (Straße Borgo 32). Ich kann die Villa wärmstens empfehlen. Die Wirtsleute sind herzergreifend freundlich, die Betten ein Gedicht, die Räder darf man im Hausflur einstellen, das Frühstück hat die Maße eines Mittagessens und der Ausblick vom Balkon ins Mirnatal ist genial. Auch die Altstadt von Motovun bietet noch den Charme des Mittelalters, wenn auch nicht so unverdorben wie Grošnjan. Von der Parenzana-Trasse hinauf in die Altstadt sind es geschätzte 100 Höhenmeter. Die kosten wirklich Kraft, denn die Serpentinenstraße ist ziemlich steil. Dafür schmeckt das erste Bier in Motovun nach der Schweißkur herrlich.

Vižinada

Da reicht ein 15-Minuten-Stopp. Wo einst der Bahnhof stand, steht beim beim Kilometerstein 102 das Modell der Parenzana-Lok Nr. 4402. Das Original wurde 1901 in der Linzer Locomotivfabrik Krauss gefertigt.

Foto: reisen by jeller
Foto: reisen by jeller

Ab Vižinada geht es die letzten 20 Kilometer bis Poreč fast nur mehr bergab, und das meist schon mit Meerblick. In Poreč verliert sich der Parenzana-Radweg dann im Häusergewirr. Von der bis dahin perfekten Beschilderung war für uns nichts mehr auszuloten. Vielleicht gibt es da auch tatsächlich keine Hinweisschilder mehr. Egal, das Erlebnis Parenzana war auch so ein wunderbares Abenteuer.

Navigation

Für den Parenzana-Radweg gibt es auch eine Karte vom Istrischen Tourismusbüro, die man in jedem Hotel bekommt, aber nicht wirklich braucht. Die Beschilderung ist so gut, dass man nie Schwierigkeiten hat, auf dem Weg zu bleiben. Wer dennoch auf Nummer sicher gehen will, dem empfehle ich die Streckenbeschreibung mit Dutzenden Fotos von K. Schremmer. Die Beschreibung lässt sich in fünf Teilen als pdf downloaden und am Smartphone abspeichern.

Retour mit Taxi

Für den Rückweg zum Ausgangspunkt nimmt man am besten ein Taxi. Preis: Ca. 20 € pro Person. Wir haben in Poreč übernachtet und sind am nächsten Tag auf Landstraßen die 35 Kilometer zurück zum Gasthof “La Parenzana” in Volpia geradelt. Eine gemütliche 3-Stunden-Tour, die nicht allzu sehr an der Kondition zehrt.

Über den Autor

In den 1970er-Jahren war Karl Jeller als Autostopper in Europa unterwegs. In den 80ern als Rucksacktourist in Asien und Lateinamerika. Von 1995 bis 2013 leitete er das Reiseressort der österreichischen Tageszeitung KURIER und bereiste die ganzen Welt. Jetzt arbeit er als freier Reisejournalist. Seine Erlebnisse, Reportagen, Tipps und Empfehlungen lesen Sie in Seinem Blog reisen made by jeller. Dort gibt es auch weitere Parenzana-Fotos.